Motorrad-Schutzkleidung: Mehr Sicherheit für Motorradfahrer | ADAC

2022-11-07 16:04:00 By : Ms. Chaya Peng

Sind Ihre Motorradklamotten älter als zehn Jahre? Dann wird es Zeit für ein Update. Die richtige Motorrad-Schutzkleidung und der korrekte Helm können Leben retten und verhindern, dass im Fall eines Unfalls Ansprüche gekürzt werden.

Textil oder Leder? Schutzpolster und Protektoren – Tipps

Bußgeld bei ungeeignetem Helm

Unfall ohne Schutzkleidung – Ansprüche kürzen?

Unfall: Kosten bei Beschädigung von Motorradbekleidung

Sicherheit ist käuflich – mit der richtigen Motorradkleidung. Doch die ist nicht leicht zu finden. Textil oder Leder? Worauf sollte man bei Protektoren und Anprobe achten? Und was bedeutet ein falscher Helm oder fehlende Schutzkleidung bei einem Unfall – wie wirkt sich das auf Schadensersatzansprüche, Mithaftung und Beweislast aus? ADAC Fahrzeugtechnik und Clubjuristen klären auf.

Der Siegeszug der Textilkombis scheint unaufhaltsam: Sie sind leicht, bequem, relativ wetterfest und haben ein hohes Sicherheitsniveau erreicht. Doch selbst hochwertigstes Kunstfaser-Gewebe erreichte bei ADAC Prüfungen nicht die Abriebfestigkeit eines guten Leders. Ein weiteres Argument spricht für Leder: Bei gut anliegenden Lederkombis sitzen die eingearbeiteten Protektoren zuverlässiger an ihrem Einsatzort als in den meist weiter geschnittenen Textilanzügen.

Und was ist mit dem Hitzestau im Sommer? Perforierungen und "Cool Leather", das dank Spezialbehandlung die Sonnenstrahlung abweist, sollen hier helfen. Lesen Sie mehr zu Motoradfahren bei Hitze

Weiterer Trend: Hydrophobiertes (wasserabweisendes) Leder in Verbindung mit innen aufgebrachter Funktionsmembran (z. B. GoreTex). Das hält auch längeren Güssen stand. Übrigens: Bei strammem Dauerregen ist eine gute Regen-Überziehkombi immer noch die dichteste aller Lösungen. Motorradkleidung ist auch für den Sozius obligatorisch

Den Namen "Protektor" dürfen streng genommen nur Schutzpolster tragen, die nach der europäischen Norm 1621-1, -2 und 3 geprüft sind. Beworben werden diese Protektoren als "CE-geprüfte Protektoren". Ihre Aufgabe: Beim Sturz die Aufprallenergie aufnehmen, auf eine größere Fläche verteilen und das Durchschlagen spitzer Gegenstände vermeiden.

Das Problem, so der ADAC: "Nicht alle Protektoren, die als CE-Protektoren gelobt werden, haben für sich und in Kombination mit der jeweiligen Bekleidung das Schutzpotenzial, das als Stand der Technik bezeichnet werden könnte." Beispiel: Der beste Protektor nutzt nichts, wenn er im Falle eines Sturzes verrutschen kann und an der falschen Stelle sitzt.

Worauf also achten? Ganz einfach: Je dicker ein Protektor ist und je größer die Fläche, die er abdeckt, desto höher die Sicherheit bei einem Unfall. Gut ausgerüstete Kombis müssen dabei keineswegs unbequem sein. Immer häufiger kommen Hightech-(PU-)Schaumstoffe zum Einsatz, die beim Tragen flexibel sind und sich erst beim Aufprall verhärten. Vorsicht vor dünnen Rückenprotektoren in zweiteiligen Low-Cost-Kombis: Sie sind nicht selten aus billigem Schaumstoff gefertigt und decken wichtige Bereiche der unteren Wirbelsäule gar nicht ab. Hier hilft nur eines: Diese Pseudo-Schützer entfernen und einen separaten, hochwertigen Rückenprotektor unter der Kombi-Jacke tragen!

Und wo sollte ein sicherer Motorradanzug Protektoren haben? Am besten an Schulter, Ellenbogen, Rücken, Hüfte, Gesäß, Knie, Schienbein und Fußknöchel.

Absolutes Muss: kompetente Beratung und kein Zeitdruck! Ein guter Verkäufer muss erkennen, was der Kunde wirklich benötigt, welcher Fahrertyp er ist, welche Schutzkleidung für ihn sinnvoll ist. Unbedingt mehrere Anzüge – und das stets auch auf dem Motorrad – anprobieren. Dabei kontrollieren: Drücken Falten in den Kniekehlen oder im Beckenbereich? Sitzen die Protektoren sicher dort, wo sie hingehören?

Dann ein prüfender Blick auf Reißverschlüsse und Nähte: Sind sie stabil? Grundsätzlich gilt: Viele Nähte, viele Schwachstellen! Scheuergefährdete Stellen (Schulter, Ellbogen, Gesäß, Knie) müssen doppellagig verarbeitet oder besser noch mit reißfestem Kevlar ausgestattet sein.

Bei Textilanzügen lohnt ein Blick auf herausnehmbare Protektoren: Tragen sie das CE-Zeichen? Weiter wichtig: Sitzt die Textilkombi noch gut, wenn das Innenfutter entfernt ist? Und passt unter das Leder-Outfit noch wärmende Funktionskleidung?

Ein Verwarnungsgeld in Höhe von 15 Euro droht, wenn während der Fahrt kein oder kein geeigneter Schutzhelm getragen wird.

Fälle, in denen Motorradfahrer mit sog. Braincaps, Stahlhelmen, Bauarbeiterhelmen oder Fahrradhelmen fahren, werden meist gerichtlich gar nicht entschieden, da die Gerichte den Betroffenen oftmals mitteilen, dass gegebenenfalls zu dieser Frage eine Materialprüfung im Rahmen eines Sachverständigengutachtens gemacht werden muss. Zum einen wird dabei der "Helm" beschädigt oder zerstört, zum anderen hat der Betroffene ein immenses Kostenrisiko. Dass solche "Helme" keinen geeigneten Schutz darstellen und daher ein Sachverständiger immer zu einem negativen Ergebnis kommen wird, ist technisch und auch juristisch kaum umstritten.

Auch wenn nach dem Wortlaut des § 21 a Abs. 2 der StVO der Schutzhelm lediglich geeignet sein muss, so empfiehlt es sich doch vor allem bei einer Neuanschaffung, auf die Norm ECE-22.05 oder die ganz neue ECE-22.06 Norm zu achten, weil diese in jedem Fall den gesetzlichen Anforderungen genügt. Außerdem ist in vielen europäischen Reiseländern diese Norm ohnehin zwingend und wer ohne einen so gekennzeichneten Helm fährt, dem drohen hohe Bußgelder oder sogar Einziehung seines Motorrades! Man sollte also darauf achten, dass der Helm in jedem Fall einen entsprechenden Aufnäher im Helmfutter oder auf dem Kinnband hat.

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Obwohl gesetzlich – anders als bei der Helmpflicht – das Tragen von Motorradschutzkleidung nicht vorgeschrieben ist, ist in der Rechtsprechung eine Tendenz zu beobachten, schuldlos geschädigten Motorradfahrern wegen des Nichttragens von Schutzkleidung Ansprüche zu kürzen.

So hat das OLG Brandenburg (Az.: 12 U 29/09) einem Motorradfahrer das beantragte Schmerzensgeld nicht in vollem Umfang zugestanden, weil es meinte, der Motorradfahrer habe zur Schwere seiner Verletzungen selbst mit beigetragen.

Nach Auffassung des Gerichts ist ein Mitverschulden des Verletzten auch dann anzunehmen, wenn "er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt". Ein solcher würde eine Schutzkleidung tragen, um damit das Risiko oder die Schwere einer Verletzung zu minimieren. Wer aber ohne Schutzkleidung wie der verletzte Kläger nur mit dünner Stoffjeans bekleidet in einen Unfall verwickelt wird, der geht bewusst das Risiko ein, schwerer verletzt zu werden als es mit Schutzkleidung der Fall wäre.

Fazit des Gerichts Daher ist es nur konsequent, dem Verletzten kein so hohes Schmerzensgeld zu bezahlen wie er erhalten würde, wenn er mit Schutzkleidung unterwegs gewesen wäre.

Letztlich ist es jedoch immer eine Entscheidung des jeweiligen Einzelfalles. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, ob der Unfall innerorts oder außerorts passierte und um welche Art von Fahrzeug es sich handelte.

So hat sich das LG Heidelberg (Az.: 2 O 203/13) mit dem Mitverschulden eines verletzten Fahrers eines Leichtkraftrollers befasst und geurteilt:

Eine Verpflichtung gegenüber sich selbst, bei Innerortsfahrten auf einem Leichtkraftrad vollständige Schutzkleidung zu tragen, könnte man nur annehmen, wenn sich ein derartiges  Verkehrsbewusstsein durchgesetzt hätte. Das sei aber nicht der Fall und deshalb halte es das Gericht für "unzumutbar" einem Leichtkraftradfahrer gegenwärtig die Obliegenheit aufzuerlegen, bei  Innerortsfahrten einen Schutzkombi zu tragen.

Wegen der höheren Geschwindigkeiten sei es unter Motorradfahrern üblich, vollständige Schutzkleidung zu tragen. Ein Rollerfahrer würde aber Gefahr laufen, spöttische Bemerkungen wegen seines Kleidungsstils zu erhalten.

Nach einem Motorradunfall ergeben sich für den Geschädigten immer wieder Probleme bei der Frage, in welchem Umfang ein beschädigter Sturzhelm oder beschädigte Kleidung zu ersetzen ist.

Fest steht, dass der Motorradfahrer nach einem unverschuldeten Unfall Anspruch auf Schadensersatz hat. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Zustand hergestellt werden muss, der vor dem Unfall bestand.

Da eine Reparatur des Helmes oder der Kleidung praktisch nicht möglich ist, ist der Motorradfahrer darauf beschränkt, einen Ersatz zu beschaffen. Aus diesem Grund geht es sehr oft um die Frage, ob der Motorradfahrer sich bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs einen so genannten Abzug "neu für alt" entgegenhalten lassen muss. Leider ist die Rechtsprechung bei der Beantwortung der Frage, nicht einheitlich.

Einige Gerichte erachten den Abzug als zulässig bzw. erforderlich. Das Oberlandesgericht Celle (Az.: 14 U 293/01) entschied, dass ein Abzug vorzunehmen ist. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die übliche Nutzungsdauer der Schutzbekleidung und des Helmes 8 Jahre betrage und je nach Alter ein prozentualer Abschlag vorzunehmen sei.

Mit einem Urteil entschied das Oberlandesgericht München (Az.: 10 U 2581/13), dass ein solcher Abzug nicht zulässig ist, "da ein kontinuierlicher Wertverlust durch Altern einerseits und eine Vermögensmehrung des Geschädigten bei Neuanschaffung anderseits nicht eintritt, da die Schutzkleidung eines Motorradfahrers (einschließlich des Kradhelms) ausschließlich der Sicherheit dient".

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